Kaum einer Erfahrung im menschlichen Leben wohnt eine derart breite Spanne des Begriffs »normal« inne wie der Schwangerschaft oder der Geburt. Während dieser neunmonatigen Phase herrscht ein körperlicher und psychologischer Ausnahmezustand, der deinem Körper jede Form von Konstanz raubt. Die zahlreichen rapiden Änderungen führen beinahe zwangsläufig zu der gebetsmühlenartigen Frage: Ist das noch normal? Jede Frau ist anders, ebenso wie auch jede einzelne Schwangerschaft. Nicht zuletzt aufgrund dieser Tatsache ist es für jede Frau im Einzelfall natürlich schwer einzuschätzen, was als normal anzusehen ist. Und genau dieser Aspekt ist es, der vielen von uns so sehr zu schaffen macht, denn sowohl unser Fitnesszustand, unsere Stimmung und auch augenscheinliche körperliche Symptome ändern sich Tag für Tag. An dieser Stelle können wir dich beruhigen, denn all das ist völlig normal und lässt sich wieder einmal auf die rege Tätigkeit unserer Hormone zurückführen. Im folgenden Artikel möchten wir dir dementsprechend die wichtigsten Hormone vorstellen, die für das Chaos in deinem Körper verantwortlich sind.
Chaosstifter Nr. 1 – Humanes Choriongonadotropin
Der erste unserer inneren Chaosstifter ist das Humane Choriongonadotropin, kurz HCG, dessen Auswirkungen dir auch in der Realität in der Regel zuerst begegnen. Dieses Hormon ist nämlich dafür verantwortlich, dass sich der Teststreifen eines Schwangerschaftstests verfärbt oder ein spezifisches Muster ausbildet, das dir anzeigt, dass du schwanger bist. Das HCG sorgt in diesem Zusammenhang dafür, dass dein Organismus zur vermehrten Produktion der Hormone Östrogen und Progesteron angeregt wird, die deine Schwangerschaft unterstützen. Dummerweise ist das HCG auch für einige eher unangenehme Nebeneffekte wie die typische Morgenübelkeit verantwortlich, wobei der Name noch geschönt ist, denn zugegebenermaßen wäre es wunderbar, wenn sich die Übelkeit auch wirklich auf den Morgen beschränken und nicht über den gesamten Tag erstrecken würde.
Chaosstifter Nr. 2 – Progesteron
Wie es der Name des Hormons bereits andeutet, handelt es sich beim Progesteron mehr oder minder um den Initialzünder der Schwangerschaft, dessen Konzentration im Blut auch während der Schwangerschaft immer möglichst hoch sein sollte. Ein niedriger Progesteronspiegel kann hingegen das Risiko, eine Fehlgeburt zu erleiden, deutlich erhöhen, weshalb Ärzte im Zuge der regelmäßigen Untersuchungen besonders auf den Progesteronspiegel achten. Wichtig ist dies insbesondere aufgrund der Tatsache, dass das Progesteron ein Hormon ist, das sehr empfindlich auf Stress reagiert und dementsprechend schnell absinkt. Um das Absinken zu vermeiden, solltest du also in jedem Fall darauf achten, dass du regelmäßig und ausgewogen isst sowie dir darüber hinaus auch die dringend benötigten Ruhepausen nimmst. Du kannst aber dennoch ohne Probleme weiter trainieren, achte aber auf die Signale deines Körpers. Nicht minder wichtig ist darüber hinaus, dass du versuchst, deinen Blutzuckerspiegel durch eine bewusste Ernährung so stabil wie möglich zu halten, da sich somit der Stresspegel weiterhin sehr effektiv minimieren lässt.
Chaosstifter Nr. 3 – Prolaktin
Das Prolaktin übernimmt im Gesamtkontext der Schwangerschaft eine ganze Reihe von elementaren Aufgaben. Die mit Abstand wichtigste ist aber die Vorbereitung der Brüste sowie des umgebenden Gewebes auf die Produktion von Muttermilch, um die evolutionär angelegte Fütterung des Babys sicherzustellen. In der Regel wird das Prolaktin erst im Zuge des zweiten Schwangerschaftsdrittels so wirklich aktiv und nimmt in puncto Aktivität bis zu Beginn des letzten Drittels noch einmal deutlich zu. Offensichtlichstes Merkmal ist die erste auslaufende Muttermilch, was typischerweise am Morgen nach dem Aufstehen ersichtlich wird. Ein hoher Prolaktin-Level ist also notwendig, damit du dein Baby effizient mit Muttermilch füttern kannst, kann im Gegenzug zur Entstehung von schlechter Laune führen. Ursächlich ist das Zusammenspiel des Prolaktins mit dem Glückshormon Dopamin, dessen Ausschüttung bedingt durch einen hohen Prolaktinspiegel reduziert wird. In Extremfällen kann es gar zu einem sogenannten dysphorischen Milchspendereflex kommen, der mit einer depressiven Stimmung verbunden ist, und oftmals so lange anhält, wie du dein Baby stillst. Was kannst du also dagegen tun? Leider nicht viel, da es keine sinnvolle medikamentöse Behandlung gibt. Eine Ausnahme bildet die verordnete Einnahme von Dopamin, was allerdings nicht zielführend wäre, da somit der wichtige Prolaktinspiegel absinken würde. Du kannst dich also nur damit trösten, dass es sich bei diesem Zustand nur um eine temporäre Entscheidung handelt, die bald wieder vorüber ist. Lass dich also in dieser Zeit ein wenig von deinem Partner verwöhnen und du wirst sehen, wie schnell sich deine Laune wieder bessert.
Chaosstifter Nr. 4 – Östrogen
Unter all den Chaosstiftern, die sich im Rahmen deiner Schwangerschaft heimsuchen, ist das Östrogen wohl derjenige, der die vielseitigsten Effekte für dich bereithält. Dazu zählt unter anderem die glänzende Haut sowie die Veränderung der Haarstruktur. Darüber hinaus ist das Östrogen auch dafür verantwortlich, dass unser Körper die Form einer Sanduhr annimmt. Ursächlich ist ein Mechanismus, der dafür sorgt, dass an den entsprechenden Östrogen-Rezeptoren eine Anlagerung von Depotfett an der Hüfte, dem Po und den Oberschenkeln in Gang gesetzt wird. Je empfindlicher dein Körper auf Östrogen reagiert, desto größer ist auch der Einfluss des Hormons im Umkehrschluss auf deine Körperkomposition. Nun wissen wir also auch, wer für dieses Ärgernis verantwortlich ist. Nichtsdestotrotz überwiegen im Rahmen der Schwangerschaft die positiven Eigenschaften des Hormons insbesondere für uns Sportlerinnen, da das Östrogen in entscheidendem Maße an den Schlüsselprozessen zum Muskelerhalt und Fettabbau beteiligt ist. Ein Abfall des Östrogenspiegels kennzeichnet sich im Zuge der Schwangerschaft indes durch charakteristische Symptome wie plötzlichen Haarausfall, vaginale Trockenheit sowie abrupte Hitzewallungen. Am häufigsten tritt dieses Phänomen in den ersten Wochen nach der Beendigung der Schwangerschaft auf, bis sich dein Hormonspiegel langsam wieder auf einem normalen Niveau einpendelt.
Chaosstifter Nr. 5 – Zytokine
Das biochemische Chaos in deinem Körper erstreckt sich bei weitem nicht nur auf die Sexualhormone, sondern wirkt sich auch auf die sogenannten Zytokine aus, die zu den wichtigsten Hormonen des Immunsystems gehören. Dies ist auch dringend notwendig, denn genau genommen handelt es sich bei der Schwangerschaft und der damit verbundenen Entwicklung des jungen Lebens um die Versorgung eines kleinen Parasiten im Inneren des Körpers. Diese zugegebenermaßen leicht ironische Formulierung trifft den Kern der Sache allerdings recht gut, denn damit dies realisiert werden kann, sind einige Anpassungen am Immunsystem notwendig. Um die Dinge nicht zu kompliziert zu gestalten, beschränken wir uns an dieser Stelle einmal auf die TH1 und TH2 Zellen, die vermehrt produziert werden, und die werdende Mutter und das ungeborene Kind so gut wie möglich zu schützen. Während es sich bei den TH1-Zellen um die sogenannten Killerzellen handelt, die unerwünschte Eindringlinge zur Strecke bringen, handelt es sich bei den TH2-Zellen um spezialisierte Zellen, die sich um die Produktion von Antikörpern kümmern. In der Folge der erhöhten Aktivität des Immunsystems kann es in manchen Fällen zu einer überempfindlichen Reaktion deines Organismus gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln kommen, sodass es mitunter Sinn machen kann, bestimmte leicht allergen wirkende Nahrungsmittel zumindest zeitweise zu meiden. Sei besonders vorsichtig mit Samen sowie mit Nahrungsmitteln, die einen hohen Glutenanteil beinhalten.
Fazit
Da du nun weisst, wer in deinem Körper das größte Chaos anrichtet, solltest du deiner Schwangerschaft ein wenig entspannter entgegensehen können. Sofern du auch noch einige der an dieser Stelle genannten Tipps beherzigst, ist es dir sogar möglich, einige der negativen Folgen des biochemischen Chaos etwas abzumildern, was sowohl dir als auch deinen Mitmenschen zugutekommen wird.